Die Geschichte von Tuta

Michael Nyangamoi, genannt Tuta, wurde in der südsudanesischen Stadt Juba geboren. Aufgrund des Bürgerkrieges in seinem Heimatland mussten er und seine Familie, die den Didinga angehören, ins benachbarte Kenia flüchten. Nach einer ersten Station im Flüchtlingscamp Kakuma an der südsudanesischen Grenze kam Tuta gemeinsam mit anderen Kindern 2016 ins zentralkenianische Juja und wurde durch Sponsoren, die für sie aufkamen, bei Pflegefamilien untergebracht. Seine Familie verblieb im Camp.

Im gleichen Jahr nahm der Zwölfjährige zum ersten Mal an der NGUVU Edu Sport e.V.- Straßenfußballliga teil und fiel den NGUVU-Coaches durch sein fußballerisches Talent auf. So wurde er Mitglied des NGUVU Edu Sport e.V. - Selection Teams und integrierte sich rasch in die Mannschaft.

Projektgründer und –trainer Firlej attestierte Tuta eine große fußballerische und auch persönliche Entwicklung und beschrieb ihn als unglaubliches warmherziges und liebes Kind, das wissbegierig und offen ist. Auch der kenianische NGUVU-Coach Owuor beschrieb ihn als ruhigen, aber keineswegs schüchternen Jungen, der weiß, dass er viel schaffen kann, wenn er an sich glaubt und sich anstrengt.

"To play fair and respect the coaches" – das sei das wichtigste beim Fußballspielen, sagte Tuta selbst. Das allerwichtigste in seinem Leben ist aber seine Familie, verriet Tuta - und zu beten, Gott zu achten. In Juja sei er sehr glücklich, vielleicht glücklicher als je zuvor, sagte er im vergangenen Jahr. 

In der Nacht zum 8. Januar 2018 änderte sich Tutas Leben schlagartig: Schon wieder wurde das Kind, das in seinem jungen Leben bereits viel sehen und ertragen musste, aus seinem vertraut gewordenen Umfeld herausgerissen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden Tuta  und  andere  Kinder  aus  Juja  zurück  in  das  Flüchtlingscamp  in  Kakuma gebracht (und waren damit nicht die ersten Fälle, die dieses Schicksal in Juja ereilte). Die Personen, die für Tuta und zwei weitere Flüchtlingskinder verantwortlich waren, konnten für diese nicht mehr aufkommen, hieß es. Im Nachhinein stellte sich durch Tutas Bericht heraus, dass die für ihn verantwortlichen Erwachsenen die Sponsorengelder für andere Dinge missbrauchten, er dadurch nur eine Mahlzeit am Tag bereitgestellt bekam und keine Schuluniform besaß. Seine Kameraden halfen ihm hier mit Essen und Schulkleidung aus. Erst seit Mitgliedschaft in der GUVU-Auswahlmannschaft bekam er in der Schule eine eigene warme Mahlzeit.

Die NGUVU-Coaches erfuhren erst am Morgen danach, dass Tuta zurück nach Kakuma geschafft worden war. Jegliche Versuche, den Transport der Kinder noch aufzuhalten, verliefen ins Leere. Tuta und die anderen Kinder bekamen selbst erst auf dem Weg mitgeteilt, wo ihre Reise hingehen sollte. Die meisten seiner persönlichen Sachen musste er in Juja zurücklassen; für alle drei Kinder wurde lediglich eilig eine Tasche gepackt. Eine Begründung für seinen Rücktransport wurde ihm nicht geliefert, ebenso wenig wie seiner Mutter, die mit Tutas Brüdern im Alter von vier, sechs und acht Jahren in Kakuma lebt. Seine Mutter habe geweint, als sie hörte, unter welchen Umständen ihr Sohn in Juja leben musste, erzählte Tuta. Beruhigen konnte er sie jedoch ein wenig, in dem er ihr von der Teilnahme an NGUVU Edu Sport e.V. und der Versorgung, die ihm dadurch zuteil wurde, berichtete.

Die Familie war glücklich, so Tuta, wieder vereint zu sein, auch wenn sein Vater im Südsudan lebt und versucht, die Familie von dort aus so gut es geht zu unterstützen. Einmal sah er ihn nach sehr langer Zeit wieder, als er die Familie während der vier Monate, die Tuta im Camp verbrachte, besuchte.

Dennoch beschrieb er die Umstände, unter denen seine Familie in Kakuma leben muss, als dramatisch. Sie teilt sich einen kleinen Raum ohne Betten oder Matratzen und schläft auf Betttüchern. Zu essen habe er durch die Fürsorge der Mutter immerhin wieder regelmäßiger bekommen. Auch konnte er glücklicherweise weiter zur Schule gehen. Freizeitmöglichkeiten oder Ablenkungen gab es im Camp allerdings keine, berichtete Tuta.

Das Flüchtlingscamp Kakuma wurde 1992 als Reaktion auf den anhaltenden Krieg im Südsudan in der Turkana-Wüste im Norden Kenias gegründet. Diese Region zählt zu den infrastrukturell schwächsten und ärmsten des Landes. Erst durch das verstärkte Engagement internationaler Organisationen konnten im Lauf der Jahre humanitäre Hilfe, Bildungseinrichtungen und medizinische Versorgung bereitgestellt werden. Nach und nach entstanden meist provisorische und heute überfüllte Schulen und Märkte. Vor allem die klimatischen Bedingungen der trockenen Wüste seien für die Menschen dort eine starke Belastung, berichtet Mario, der sich als gebürtiger Südsudanese in verschiedenen Organisationen für Rechte und Frieden in seinem Heimatland engagiert. Wer sich abends nach 18 Uhr auf die Straße traut, werde von der Polizei verprügelt, so Mario – Kakuma sei ein offenes Gefängnis.

Laut Unicef leben heute in Kakuma und Dadaab, dem zweiten großen kenianischen Flüchtlingscamp an der somalischen Grenze, zusammen mehr als 500.000 Menschen – und mehr als die Hälfte davon sind Kinder. 

Halt habe Tuta während seiner Zeit im Camp vor allem die Hoffnung gegeben, eines Tages vielleicht wieder zurück nach Juja und in sein Team, die NGUVU-Auswahlmannschaft, zu können, an die er oft denken musste, wie er erzählt. Und Tuta hatte Glück. Seit Beginn des Jahres suchte NGUVU Edu Sport e.V. fieberhaft nach einer Möglichkeit, den Jungen zurück nach Juja zu holen. Eigenhändig in das Camp zu fahren erwies sich als ein zu gefährliches Unterfangen. Nachdem durch mehrere Telefonate deutlich war, dass Tutas Mutter eine Rückkehr ihres Sohnes nach Juja und in seine Mannschaft vollumfänglich unterstützen würde, wartete NGUVU nur noch auf die nächste Gelegenheit in Form von Bekannten oder Verwandten der Familie, die von Kakuma nach Juja fuhren und den Jungen mitnehmen konnten. 

Am 23. April 2018 war es dann so weit: Als Tuta nachmittags aus der Schule kam, eröffnete ihm seine Mutter, dass er noch heute kurzfristig die Möglichkeit hatte, mit einem Bekannten  zurück  nach  Juja  zu  fahren.  Die  ganze  Familie  habe  sich  zum Abschied nochmal umarmt, und dann sei es losgegangen, berichtet Tuta. Seit er im März 2018 von einer Freundin seiner Mutter, die ebenfalls in Juja lebt, mitbekam, dass NGUVU versucht, ihn zurückzuholen, seien er und seine Familie voller Hoffnung gewesen, dass das klappen möge,  gesteht Tuta.  Seine  Mutter  zeigte  sich  am  Telefon  und  auch  laut  Tuta  selbst überzeugt von dem Programm und ermunterte ihren Sohn beim Abschied, in der Mannschaft und in der Schule fleißig und aktiv zu sein. Sie vertraue auf NGUVU und die Chance auf ein besseres Leben, das sich ihrem Sohn durch das Projekt biete.

Tuta lebt nun gemeinsam mit einem anderen südsudanesischen Flüchtlingsjungen, der ebenfalls zur NGUVU-Auswahlmannschaft gehört, bei Hausmutter Rose, die NGUVU Edu Sport e.V. vermitteln konnte. Seine Mannschaft hat ihn mit großer Freude und Wärme wieder aufgenommen, ebenso konnte er sich schnell wieder in seine Klasse 4 North in der Gachororo Primary School eingliedern und auch in Juja-Gachororo selbst begrüßten den jungen Fußballer viele Menschen auf der Straße. Ja, er vermisst seine Familie, sagt Tuta – aber  er  ist  einfach  nur  überglücklich,  dass  er  durch  NGUVU  Edu  Sport  e.V.  wieder zuhause sein kann.

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